Honda Testtag (Part III) – Das dicke Ende

Entweder war die Produktpräsentation so überzeugend oder ich wollte einfach vermeiden, am Ende der Mittagspause ohne adäquates Mopped darzustehen, jedenfalls finishte ich als erster den Nachtisch, schnappte mir meinen Helm und trug mich für eine der neuen VFR1200F ein. Marc entschied sich mit der CBF600 für etwas kleines Nacktes.

Honda VFR1200F
Honda VFR1200F

Auch wenn die Verkleidung der neuen VFR sehr wuchtig und ausladend erscheint, aus der Perspektive des Fahrers relativiert sich der Eindruck doch etwas, besonders die recht schmale Taille kam mir sehr entgegen. Die Sitzposition war aufrecht und kommod und bereits nach wenigen Kilometern hatte ich das Gefühl die Maschine schon eine Ewigkeit zu fahren. Ein ganz schöner Vetrtrauensvorschuss, gut dass ich nicht leichtsinnig wurde… Ab und an wurden dem 172PS-V4 ja schon kleine Durchzugsschwächen nachgesagt, doch wenn man wie ich eher kleine, kurzhubige Motoren gewohnt ist, ist man ob des Durchzugs schon sehr fasziniert.  Fast könnte man die viel benutzte „wie am Gummiband“-Metapher bemühen und um das Phrasenschwein voll zu kriegen, werfe ich auch noch ein „wie auf Schienen“ ein, denn eben dies kam mir zum Thema Handling in den Sinn, als wir unseren obligatorischen Fotostopp einlegten.

VFR1200F Front
VFR1200F Front

Marc hatte richtig Spaß mit seine kleinen, agilen CBF (Leistung und Hubraum ist eben doch nicht alles), doch in der Fahrspaßkomponente „Sound“ musste sie sich der VFR klar geschlagen geben. Wenn irgendwo bei 5000 U/min noch mal eine kleine Klappe im Endrohr auf Durchzug gestellt wird und aus dem V4-Grollen ein heiseres Fauchen wird, werden die meisten Kradisten wohl kaum ein Grinsen zurückhalten können…

Zurück im „Fahrerlager“ schweifte der Blick gleich wieder durch die Reihen der gerade verfügbaren Testmaschinen. Puh, keine Gold Wing da, vielleicht geht der Kelch ja doch noch an mir vorüber und ich komme wegen Nichtverfügbarkeit um eine Runde mit dem Schlachtschiff herum. Genausowenig wie die Gold Wing war aber auch keine der Fireblades verfügbar, die ich eigentlich fest in meine innere „noch zu fahren“-Liste eingetragen hatte.

Hornet 600
Hornet 600

Also wieder ein Gang durch die Reihen und schauen, was mich so anlächelt. Ich entschied mich für 600 Kubik, 102PS, leichte Aggro-Optik, lackiert in Perlsäuregelb (aka „Pearl Acid Yellow“). Die aktuelle Hornet 600 entpuppte sich schon in den ersten Kurven als echtes Spaßgerät. Einfaches Handling dank wenig Gewicht und breitem Lenker ließen mich wuslig-flink durch die Kurven ziehen. Der Motor, der in ähnlicher Form auch in der CBR600RR verbaut wurde, will gedreht werden und wenn man wie meinereiner Freude an fünfstelligen Drehzahlen hat, kann man oben im Drehzahlhimmel noch mal eine ganze Menge Extraschub finden. Der Sound ging auch in Ordnung, obgleich Marc, der parallel die Transalp bewegte nichts über deren bollernden V2 kommen ließ. Überhaupt schien das komplette Motorrad es ihm angetan zu haben.

Ein paar durchwedelte Kurven später stellte ich die kleine Honda wie der auf dem Parkplatz ab. Ich glaube, von allen an diesem Tag gefahrenen Moppeds eignete sich die Hornet am besten für die gefahrene Strecke. Leicht, agil und wenn’s sein muss auch richtig kräftig. Weite Touren oder Hochgeschwindigkeiten würde ich mangels Windschutz zwar vermeiden aber für den schnellen Kurventanz war’s genau die richtige Maschine.

Und da stand ich wieder. Noch etwa eine dreiviertel Stunden Zeit bis ich zum Zug musste, also nur noch Zeit für eine einzige kurze Runde. Und keine Fireblade weit und breit. Dafür thronte am Ende des Parkplatzes dick und breit die Gold Wing. „OK, Dennis, da musst Du jetzt durch – und immer an die Leser denken“ ging es mir durch den Kopf, oder vielleicht auch einfach nur: „Ach Dreck, tu’s einfach!“.

Also gut, „ich nehm jetzt mal die Gold Wing„. Ungläubiges Grinsen bei der Mädels an der Registratur. Mit meiner Statur und dann noch in einer Sportkombi sehe ich wahrlich nicht so aus wie der typische „Winger“. Erst mal Sitzprobe. Obwohl meine Beine einen recht sicheren Stand hatten, machte sich ob der Polsterung eine gewisse Fernsehsessel-Atmosphäre breit. Doch anstatt die Chipstüte auszupacken, bat ich das erste Mal an diesem Tag um ein wenig Unterstützung bei der Bedienung des Motorrades. Das ließ sich der Hondamitarbeiter nicht zweimal sagen und legte los: „Navigation, Sitzheizung, Griffheizung, Audio-System, iPod-Anschluss, Tempomat, Airbag, Rückwärtsgang, noch mehr Navi-Funktionen, abspeicherbare Dämpfereinstellungen (z.B. für Soziusbetrieb), Intercom (ebenfalls für Soziusbetrieb), und und und… ich wollte den guten Mann aber auch nicht unterbrechen, vielleicht kommt ja noch was essentiell Wichtiges. Kam aber nicht. Wenn der Motor (grandios, so ein Sechszylinder-Sound) erst mal läuft und die Fuhre halbwegs in Bewegung ist, kommt man sich fast vor wie auf einen normalen Motorrad. Schnell noch abtasten wohin die Füße eigentlich gehören (längst nicht so weit vorne, wie ich befürchtete) und dann vorsichtig vom Hotelparkplatz auf die Straße. Marc folgt mir mit seiner ebenfalls mutigen Motorradwahl: der 750er Shadow.

Gold Wing
Gold Wing

Jetzt machte ich mir es erst mal bequem. Ich rutschte hinten an die Lehne heran, drehte Sitz-und Griffheizung leicht auf und erfreute mich am entspannten Fahren. Einmal kam noch kurz etwas Unruhe auf, als ich das erste mal an einer Kreuzung anhalten und abbiegen musste aber wenn man erst mal die Scheu vor dem 400kg-Ungetüm abgelegt hat, fährt es sich doch recht unbeschwert. Nach ein paar Kilometern fiel mir auf wie wenig Winddruck die große Frontscheibe übrig lässt. Ein paar Augenblicke später bemerkte ich , dass ich schon die ganze Zeit mit offenem Visier fahre. Wow, die Scheibe wirkt wirklich – zumindest bei Personen um einszweiundsiebzig…

VT750 Shadow
VT750 Shadow

Die Schräglagenfreiheit der Gold Wing ist wirklich recht beachtlich und wenn man den Kurvenwunsch rechtzeitig beim Motorrad einreicht, wird man unglaublich stabil um die Kurve getragen. Der Motor liefert aus den 1,8 Litern Hubraum zwar „nur“ 118PS, doch für zügiges Beschleunigen und Überholen sorgen vielmehr die 167Nm Drehmoment. Eine ganz neue Erfahrung für mich Luftpumpenfahrer.

Zwischendurch wieder ein kurzes Fotoshooting und Erfahrungsaustausch über die zwei Moppeds aus der uns so unbekannten Chopper- und Tourerwelt. Marc erfreute sich (mal wieder) am V2-Sound und der allgemeinen Gutmütigkeit seines Cruisers. Ich selbst bin einfach nur überrascht, wie unkompliziert sich die Gold Wing bewegen lässt und welche Kraft der Motor entfaltet. Beim Anhalten agiere ich zwar noch ein wenig vorsichtig, um bloß jede Art von Schräglage zu vermeiden, die das Trumm umkippen lassen könnte (ein Aufrichtautomatik gibt es meines Wissens nicht) aber in der Fahrt setzten auf dem Rückweg auch schon mal die Stiefelspitzen auf (Notiz an mich: Fußspitzen immer nach innen!)

Hier noch ein paar Impressionen vom gebotenen Funktionsumfang des Goldflügels:

R6 im Scheinwerferlicht
R6 im Scheinwerferlicht

Nur leicht zu spät kamen wir wieder in Weibersbrunn an. Ich hechtete in meine Zivilkleidung, verabschiedete mich noch schnell von Aaron und Marc, um dann in Frankfurt den Zug nach Hamburg zu nehmen. Kann ganz schön voll werden auf dem Frankfurter Hauptbahnhof, wenn gerade keine Flieger unterwegs sein dürfen. Gegen 22:30 war ich dann wieder zu Hause, erwartet von meinem Motorrad… Ein wenig froh, war ich schon sie zu sehen, schließlich wurde @JeremiahHarm tags zuvor genau diese Maschine dreist geklaut. Schweinebande!

Ein ganz schön langer Tag war das. Sechs Motorräder gefahren, viele Kurven unter die Räder genommen und am Abend zuvor noch viele interessante und nette Leute kennengelernt. Außerdem habe ich festgestellt, dass Probefahrten zwar sehr unterhaltsam sind und schnell einen ersten Eindruck vermitteln, eine echte Wertung bringt aber nur der direkte Vergleich ähnlicher Modelle. Und selbst da werden die Unterschiede oft nur marginal sein, denn alle modernen Motorräder (gut, ich kann da aktuell nur von den Hondas sprechen) sind leicht zugänglich, verbergen keine unangenehmen Überraschungen und machen auf die eine oder andere Art Spaß. Kaufentscheidend ist für die meisten Motorradfahrer wahrscheinlich nur das Bauchgefühl, die Emotion, die ein bestimmtes Motorrad auslöst oder auch nicht. Dies kann man sich aber nur in den seltensten Fällen erlesen, sondern nur erfahren…

Also, auf zum Probefahren!

(Marcs Eindrücke vom Honda Pressetag sind übrigens hier nachzulesen)

3 Comments on “Honda Testtag (Part III) – Das dicke Ende

  1. Ja das stimmt wirklich !
    Eine Probefahrt ist durch nichts zu ersetzen
    als durch eine Probefahrt .
    Übrigens , kannst Du Dich noch an den Goldwing-
    Manni von der HMT erinnern, der Seine Scheibe
    mit Airbrush verzieren ließ und nicht mehr durchschauen konnte und fortann immer drüberschaun musste ?

  2. Dann darf ich das ja jetzt auch schreiben: Meine nächste ist eine Pan European :-). Nicht ganz so bollerig wie eine Goldwing, aber ebenfalls recht behende – wenn sie in Fahrt ist.

  3. Pingback: Der Modelljahrgang 2013 von Honda im Test » MoppedBlog