Updated on Juli 14, 2015
Wie gesagt: die Einladung einen brandaktuellen Supersportler auf der Rennstrecke zu testen kann man einfach nicht ablehnen und wie ich jetzt weiss, ist der Nürburgring von Hamburg bei guter Verkehrslage in nur viereinhalb Stunden zu erreichen.
Superpünktlich (oder auf den letzten Drücker, das ist Auslegungssache) kam ich am Vorabend in der wunderschönen Eifel an und konnte mich prompt noch zum Abendessen zu der illustren Gruppe aus Bloggern, Forenadmins, Hobby- und Profiracern sowie Yamaha Mitarbeitern dazugesellen. Das war ein runder Abend, der aber nicht zu lang wurde. Alle wussten dass morgen früh um 8 schon der Einzug in die Yamaha Box auf dem Programm stand.
Die Boxen 1-3 wurden genutzt für eine Präsentation der Yamaha R-Serie (R125, R3, R6, R1 und R1M), Stände der R1-Foren, Catering und Yamaha-Zubehör. Ein Tischchen am Rande wurde dann zum Bloggertisch erkoren, in dessem Dunstkreis wir unser Geraffel lagern konnten.
Um 8:30 erfolgte die obligatorische Fahrerbesprechung nebst Flaggenkunde (und zwar viersprachig, Hut ab!) und kurz danach klangen schon die ersten Motoren aus den Boxen und kurz darauf auch vom Ring. Der Tag auf der Rennstrecke hatte begonnen.
Nachdem ich mir die neue Schildkröte umgeschnallt und mich in meine Kombi gezwängt hatte (Notiz an mich: „Bierbauchtraining“ googlen!) hieß es aufsitzen auf dem heutigen Arbeitsgerät. Die 2015er R1 ist hoch (855mm), straff gepolstert und hat relativ stark gekröpfte Lenkerstummel. Trotzdem ist die Sitzposition alles andere als unmenschlich, ich habe mich gleich zu Hause gefühlt, die Maschine „passt“ mir. Wahrscheinlich würde man sich auch nach ein paar Stunden Landstraßenfahrt körperlich noch ganz gut fühlen, dennoch wird einem hier unmissverständlich klar gemacht, dass man Platz genommen hat, um mindestens Motorsportgeschichte zu schreiben und nicht um mal eben zur Eisdiele zu cruisen.
Bevor man in die Annalen des Motorsports eingeht, sollte man zumindest die Strecke schon mal gesehen haben und so fuhren wir die ersten zwei Turns dem Instruktor hinterher, der uns erst mal die Ideallinie zeigte und dann langsam mit dem Tempo anzog. Ich bezweifle ja, dass ich an diesem Tag jemals ansatzweise die vollen 200PS an die Kette schickte oder alle Assistenzsysteme zum Einsatz bewegte, trotzdem ließ sich erahnen was hier noch möglich wäre. Diese Maschine ist wirklich problemlos über den Kurs zu bewegen, das Handling ist deutlich dichter an dem meiner R6 dran als beispielsweise an der 2004er RN12, die ich auch schon mal fahren konnte. Das Gefühl einer „dicken Tausender“ kommt hier nicht auf, alles wirkt sehr kompakt. Das nennt man dann wohl Massenkonzentration, denn mit 199kg (vollgetankt) ist diese R1 schwerer als die meisten ihrer Ahnen (die direkte Vorgängerin von 2009 mal ausgenommen).
Wenig Arbeit ist beim Einlenken nötig, die Bremsen greifen (z.B. vor der Schikane) richtig gut und ich hatte jederzeit das Gefühl alles unter Kontrolle zu haben. Nur wenn auf der Geraden im vierten Gang bei 200km/h (ja ich weiss, da ist man eigentlich erst im dritten…) das Vorderrad etwas leichter wurde, kam die Erinnerung zurück mit wieviel Leistung ich hier eigentlich unterwegs war.
Zwischendurch klärte @aaronlang von Yamaha uns über die Vorzüge von TCS, SCS, LIF, LCS, QSS, ERS und ABS/UBS auf. Mit deren Funktionen, Einstellmöglichkeiten und Wechselwirkungen könnte man sicher mehr als nur einen Blogeintrag füllen.
Letztlich geht es aber immer „nur“ um mehr Speed, mehr Spaß, mehr Sicherheit. Den Assistenzsystemen ist man nicht hilflos ausgeliefert, sondern man kann und sollte – nachdem man ihre Wirkungsweise kennt – die einzelnen Modi (A-D) customizen und so an die eigenen Fahrgewohnheiten und den Streckenzustand anpassen.
Wie und wann welches Helferlein eingriff sowie alle weiteren Informationen wie Beschleunigungswerte, Geschwindigkeit oder GPS Position kann dann über die optionale Kommunikationseinheit (CCU) an die entsprechende App auf dem eigenen Tablet übermittelt werden. Dort kann dann analysiert werden, wo die nächsten Zehntelsekunde zu holen ist.
Um Rundenzeiten musste ich mir aber keine Sorgen machen. Ich war froh, nach einigen Runden immerhin die Kurven wiederzuerkennen und zu ahnen, wie sie zu nehmen waren. Beim dritten Turn, am frühen Nachmittag sortierte ich Dödel mich hinter dem falschen Instruktor ein (dass die auch alle gleiche Kombis und gleiche Motorräder haben müssen…) und guckte fast zwei Runden zu, wie einem Fahranfänger die Strecke gezeigt wurde. Als ich mich dann von den beiden löste begann der Spaß richtig. Es flutschte jetzt zwischen mir und der R1 und alles wurde deutlich flüssiger und runder. Auch die neuen Knieschleifer bekamen erste Kratzer. Läuft.
Leider währte der Spaß nicht allzu lang, dann wehten auch schon die roten Flaggen am Streckenrand, ein schwerer Unfall sorgte für den Abbruch des Turns. Das war ein klarer Fall von „Aufhören wenn’s am schönsten ist“, denn während wir auf den vierten Turn warteten fing es langsam an zu tröpfeln („haha, das ist ja verdunstet bevor es unten ankommt“), dann regnete es schon etwas mehr („uh-oh“) und dann prasselte es so richtig runter inklusive etwas Hagel und Donner („FFFFFFFUUUUUUUUUUUU“). Auch wenn die zwischenzeitlich gesperrte Strecke wieder geöffnet wurde, verzichtete ich (wie alle anderen) auf die letzten beiden Turns. Die Tatsache ein fremdes Motorrad zu fahren, Pfützen auf der Strecke und €1000 Selbstbeteiligung unterstützen dabei der Entscheidungsfindung.
Nicht so @edigixxer und @griesgram999, die sich schon vorab für eine Runde auf den beiden ebenfalls bereitstehenden Yamaha R3 (321cm³, 42PS, 169kg) angemeldet hatten. Ziemlich allein auf weiter Flur preschten sie mit Warnwesten bekleidet über das nasse Geläuf.
Frust kam trotzdem nicht auf - wie auch? In der 3er-Box voller Rennstreckenverrückter zusammen mit einem Haufen Supersportmotorrädern und professioneller Umsorgung von Yamaha verging die Zeit bis zum Ende der Veranstaltung wie im Fluge. Ein wahrlich toller Tag, vielen Dank dafür an alle Beteiligten und vielen Dank für die Einladung an den Nürburgring!